Skip to main content

Presse

Fredi Bosshard
WOZ vom 25.09.2014 

Sie dreht sich 33 Mal in der Minute, die schwarze Scheibe. Nach sechs bittersüssen Songs wird sie umgedreht, und acht weiter folgen. In «Holzerhurd», einem Stück, das der aktuellen LP der zürcher Gruppe Sein den Titel leiht, gönnt sich die Sängerin eine Pause. Holzerhurd bezeichnet die Endschleife der Buslinie 32 in Zürich Affoltern. Die 32 ist eine der buntesten Linien der Stadt und führt von den neuen Wohngebieten in der Nähe des Katzensees über die Langstrasse in Albisgüetli.
Holzerhurd ist auch ein Ort, wo auf einer versteckten Wiese ein schäbiger Kleinzirkus stehen könnte. Die Zirkuskapelle spielt schon vor der Vorstellung ihre melancholische Weisen. Ihre Musik lässt Erinnerung an Fellini-Filme und Songs und Moritaten von Bert Brecht, Kurt Weill und Hanns Eisler erwachen. Musu Meyer, die Sängering von Sein, singt mit sinnlich-rauchiger Stimme eigene Texte. Sie künden von den Erbärmlichkeiten und Hoffnungen des Daseins, von Einsamkeit und der Sehnsucht nach Liebe. Das Schicksal von heissblütigen Strandgigolos mit Waschbrettbauch, die es in «Herbst» wieder in den grauen Büroalltag zurückverschlägt, beschäfig sie wie die Erinnerung an den «allerersten Mann».
Meyer, mit einem Faible für Endstationen, hat sich schon «einen Platz reserviert in der Höll, nah beim Grill/wo's wohlig warm ist ...». Dort möchte sie ihre Lieder bei einem kräftigen Glas Laphroaig weitersingen. Einstweilen spielt und singt sie mit der achtköpfigen Band hier für uns. Es ist entspannte, manchmal beschwingte und immer sehnsuchtsvolle Musik mit Akkordeon (Barbara Karpf), Gitarre (Pattu Jeggli), Querflöte (Claudia Schär), Klavier und Harmonium (Michi Reimann). Alles ist gut unterfüttert von Fab Hofmann und Weather Eye an Bass und Schlagzeug. Man trifft Sein überall dort, wo ein Klavier steht - und seis im «Hafenpuff».


Raphael Zehnder
WOZ vom 16.10.2008 

Wer schreibt Lieder mit so vielsagenden Titeln wie «Bill's Busentempel», «Ich war nie'ne graue Maus» und «Onkel Horsts Testament»? Die Sängerin Musu Meyer von der Zürcher Gruppe Sein. Die neue CD dieses Sextetts klingt nach Metropole, nach den zwanziger Jahren, nach Lichtern, Hafen, Rauch und Alkohol, ein wenig nach Brecht-Weill, nach Schwerenötern und dem Zustand zwischen der x-ten Flasche und dem Morgennebel, nach wildem Treiben und nach Einsamkeit.
«Die Rechnung bitte» ist eine betörende CD. Es ist bereits der siebte Tonträger dieser Gruppe. Ihre Musik dürfte jetzt, nach Jahren im wohligen Dunkel am Rande des Konzertbetriebs, eine breitere Öffentlichkeit erreichen. Erklären lässt sich dies simpel: Solche Musik macht sonst hierzulande niemand, und Sein sind, um es in der Früchte-und-Gemüse-Terminologie zu sagen, jetzt vollreif. In wunderbaren akustischen Arrangements - Akkordeon, Mandoline, Geige, Kontrabass, Querflöte, Klavier - erschaffen Sein eine Welt, die es längst nicht mehr gibt - und vielleicht nie gab: Zwischen Alfred Döblins «Berlin Alexanderplatz» und Freddy Quinns «Junge, komm bald wieder» können einem unzählige Bilder einfallen. Kitsch ist es nicht, melodramatisch schon.
Sein erschaffen eine hübsche Stilisierung deutschsprachiger Retroassoziationen, unter Ausklammerung der zwölf finsteren Jahre natürlich. Sie singen vom Sein, von der durstigen Existenz: frivole, schlagerartige Lieder, eine dunkle Cabaretrevue in Schwarz-Weiss, wo die Rosen, die Lippen der Damen, der Wein und das Blut rauflustiger Trunkenbolde die einzigen Farbtupfer sind. Die Texte könnten einem Comicstrip die Worte leihen: «Einer, einer geht noch rein / Wer wird denn da so vernünftig sein? / Ein kurzer Schnaps, ein kleines Bier / Sei doch nicht störrisch und tu es wie wir». Herrlich ungesund und unmodern! Am Mischpult sass übrigens David Langhard alias Admiral James T., ein König des Rock 'n' Roll. Das deutsche Chanson kann also auch an der Limmat entstehen. 


Albert Kuhn
WELTWOCHE, 25.9.2008: 

Das beste Berliner Orchester kommt aus Zürich, und Berlin weiss es nicht. Nicht mal halb Zürich.


Veit Stauffer 
REC-REC Newsletter, 2. 2007:

Nach 50 Jahren Wartsaal 2. Klasse hat Zürich endlich auch eine Urenkelin von LOTTE LENYA hervorgebracht, DAGMAR KRAUSE (Slapp Happy) darf ruhig auch als Patin ins Spiel gebracht werden.. 


Albert Kuhn
WELTWOCHE Nr. 11.07:

Was Sein in ihren schaurigen Lamentos in aller Ausführlichkeit an menschlicher Kälte, Eigennutz, Lügen, Betrug, Verdorbenheit und Falschheit auftischen, erhält heute, angesichts des Resultats von sechzig oder siebzig Jahren Fortschritt, eine geradezu wärmende Herzensqualität. 


Markus Ganz
Neue Zürcher Zeitung, 31.7.07:

«Ich habe natürlich übertrieben, wenn ich nach den drohendem Rauchverbot sogar ein Saufverbot prophezeie. Aber es steht derselbe Geist dahinter. Vernunft hat im Nachtleben nun einmal keine Priorität.» 


Jan Strobel 
Tagblatt, 2.8.2007

«Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da», lautet der Titel eines alten deutschen Gassenhauers. Kaum jemand weiss das besser als Musu Meyer, Sängerin der Band Sein und Betreiberin der Meyer’s Bar beim Lochergut. Denn das Meyers ist nicht bloss eine Quartierbeiz, es ist ein ganz eigenes Universum, eine kleine Bühne für Nachtschwärmer mit all ihren Freuden, Nöten und Ängsten, Hier werden Figuren der Nacht geboren.

Eiermaus


Loop Februar 07 
zur Konzertreihe im Helsinki
Werweisen mit Sein

Sein verstehen es, ihre Musik im passenden Ambiente zur Aufführung zu bringen. Nachdem das ganz vorzügliche neue Album «Komm Bruno, lass und tanzen» im EI Lokal - der allerletzten Insel in der Sihl - getauft wurde, spielt das Sextett im Februar jeden Samstag im Helsinki, der einzig verbliebenen Insel in Zürich West. Die gemütliche Garage bietet das ideale Umfeld für Musu Meyers Moritaten von Liebe, Suff und Wahnsinn. Denn die Sängerin schätzt eine ungezwungene Atmosphäre, wo die Leute zwischen Rauchschwaden und Bierflaschen aufmerksam zuhören und zwischen­durch auch mal ein bisschen plaudern. Und zu diskutieren gibts immer was. Denn erstens versteht man die deutschen Texte der Zürcher Lotte Lenya auch beim Konzert, und zweitens lässt die Meyer's-Wirtin gerne Im­pressionen aus dem Bar-Alltag in ihre Lieder einfliessen. Nachtschwärmer können also im Helsinki werweisen, ob es ihre Abstürze sind, die da auf der Bühne besungen werden. Alle anderen entdecken die attraktive Alternative zu all den notorischen Brecht-/Weill-Liederabenden. (ash)

Sarg