Misanthropolis

Fragen Sie Hertha Voss!

Verehrte Misanthropin, teurer Misanthrop; Sie betreten einen heiklen Lebensabschnitt, Sie zweifeln, zaudern und wissen nicht, wie es mit Ihnen weitergehen soll? Zögern Sie nicht und wenden Sie sich noch heute an Hertha Voss, Misanthropin der Sonderklasse, die gerne bereit ist, Sie von ihrem reichen Erfahrungsschatz profitieren zu lassen.
FRAGE:
Bei einem Preisausschreiben habe ich versehentlich zwei Wochen Madagaskar pauschal gewonnen. Da es mir bis anhin fern stand, eine solche Reise anzutreten, frage ich Sie, was mich dabei erwartet.
-- Lotte K.
HerthaVoss ANTWORT:
Wir kennen das. Da versuchen wir, ein Set Frottiertücher zu gewinnen und handeln uns stattdessen eine Weltreise ein - ein Exempel der Verantwortungslosigkeit gewisser Preisausschreiber, gehört doch der Tourismus zu den ungesündesten und nervzersetzendsten Beschäftigungen unserer Zeit. Was die Branche agressiv als erholsam, entspannend, ja, befreiend propagiert, beginnt auf den lustfeindlichen Gestühlen stinkender Flugzeuge, wo wir flankiert von unappetitlichen Menschen uns dem sterlilen Charm normierter Bordbelegschaften ausliefern, während uns bereits vor dem Reiseziel graut. Irgenwo im Kraut führen wir unsere aufgequollenen Extremitäten ins Freie, was uns einen Augenblick der Erleichterung beschert, überschattet freilich vonder bitteren Einsicht, uns nun geschlagene zwei Wochen lang mit einer Kultur herumschlagen zu müssen, die uns nicht interessiert und die auch keinen Deut anziehender ist als die uns angestammte, kurz, wo wir auch sind, eine Heerschar geifernder Schweinekerle will uns an den Kragen. Verschärfend hinzu kommt, dass wir durch unser Eindringen die Einheimischen geradezu ermutigen, die widerwärtigsten Ferkeleien spazieren zu führen und sich so lange zu erniedrigen, bis wir ihnen die Mäuler stopfen und beschliessen, die verbleibenden Tage im Hotelzimmer zuzubringen. Hier noch ein persönlicher Tip:Machen Sie die Gewinnerin der Frottiertücher ausfindig und schlagen Sie ihr einen Tauschhandel vor.
FRAGE:
Seit einem Monat habe ich meinen ersten Freund. Er heisst Max. Max ist ein netter Junge, nur will er ununterbrochen mit mir ausgehen, ins Kino oder an Feten, während ich viel lieber zu Hause bleibe. Wie kann ich ihn umstimmen?
-- Lieschen F.
HerthaVoss ANTWORT:
Es scheint mir, als seist Du Deinem Freund Max ein gutes Stück voraus. Ihr seid beide noch jung, doch während Du bereits begriffen hast, worauf es im Leben ankommt, tappt Max noch immer im Dunkeln, sein Geist ist verwirrt, er verzettelt sich. Da er sich der schädlichen Wirkung übersteigerter Geselligkeit nicht bewusst ist, wird es Zeit, ihn darüber in Kenntnis zu setzten, geduldig, in einfachen Leitsätzen wie: Der Mensch ist kein Herdentier - definiert er sich durch sein Umfeld, welkt er zum Zwischenmensch. (Der Zwischenmensch: Er lebt und stirbt mit seinem gesellschaftlichen Kontext; nachlässig zusammengeflickt mit den Äusserungen und Handlungsweisen sogenannter Cliquen oder Verbünden folgt er den Gesetzten der Gruppe statt deren des Einzelnen, was ihn als Individum unbrauchbar macht.)
FRAGE:
Täglich fahre ich mit dem Bus zur Arbeit und wieder zurück. Die Einzelplätze sind meist belegt, und vor jeder Haltestelle beschleicht mich die furchtbare Angst, es könnte sich jemand neben mich setzen - was dann auch geschieht, und fortan habe ich einen schwielenden Schafskopf an mir kleben, bis ein noch unappetitlicheres Element ihn ablöst. Wie, um alles in der Welt, ist solcherlei zu unterbinden?
-- Bernd S.
HerthaVoss ANTWORT:
Der öffentliche Verkehr gehört zu den grossen Plagen der domestizierten Welt. Der freie Platz neben uns ist ein ausgemachtes Übel, nicht zuletzt, da er über eine immense Anziehungskraft verfügt. Die Hoffnung, er werde wenigstens von einigermassen tragbaren Subjekten besetzt, erweist sich stets als unbegründet, da gerade diese es ablehnen, neben irgendwem zu sitzten, und es ganz gegenteilig die widerlichen sind, die absolut ungeniessbaren, selbige eine geradezu teuflische Freude daran haben. Und gegen die hilft nur eins: Machen Sie sich breit, transpirieren Sie, betreiben Sie Körperpflege, oder, im schlimmsten Fall, grüssen Sie jeden, der gierig auf den freien Platz zu steuert, mit Worten wie: 'Sie kommen mir gerade recht', oder 'ich will ficken'. Kurz, haben Sie den Mut zur Unattraktivität - Charisma macht sich im öffentlichen Verkehr nicht bezahlt.
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